Oscillation Solo Exhibition at Köppe Contemporary in Berlin
JULIA BENZ „OSCILLATION“
Mit großer Freude präsentiert die Galerie Köppe Contemporary erstmals eine Einzelausstellung der Künstlerin Julia Benz. Oscillation, so der englischsprachige Titel, zeigt jüngere Werke, die sich ausgehend von den (Acryl)Glas-Installationen der letzten Jahre mit dem Farbspektrum von gebrochenem Licht auseinandersetzen. In Wechselwirkung mit den eingebrannten Farbstoffen nutzen die ausgestellten Glasarbeiten Licht als Gestaltungselement und zugleich als Transformationskraft. In dem variierenden Erscheinungsbild jener Installationsobjekte führt Julia Benz die immateriellen Eigenschaften von Licht mit den materiellen Eigenschaften von Malerei zusammen. Als integrierter Bestandteil der Werkrezeption erschließen sich dem Betrachtenden die Glasobjekte und deren Farbeindruck abhängig von Betrachtungsstandpunkt und -winkel.
In ihren neusten Leinwandarbeiten sucht Julia Benz nach einer Möglichkeit, den an den Glasobjekten zu beobachtenden Effekt von Lichtbrechung durch ein Prisma malerisch umzusetzen. Licht fungiert hier als Gestaltungsquelle und dessen Bruch als Farbinspiration. Sich von der zweidimensionalen Fläche lösend, entdeckte die Künstlerin das Potenzial in den Raum greifender Malerei. Die Rückkehr zur Malerei auf Leinwand stellt keinen Schritt zurück dar, sondern offenbart die gegenseitige Beeinflussung der medialen Darstellungsformen.
Obgleich ihre Werke von expressiven malerischen Gesten und dynamischen Farb- und Formkompositionen bestimmt sind, lassen sich in ihnen auch immer wieder ruhige, nahezu statische Momente finden. Bewegung und Ruhe konstituieren das Thema der vergangenen zwei pandemischen Jahre, in denen auf ruhige Phasen im Leben der Künstlerin explosive Zeiten, geprägt von Inspiration und Kreation, folgten. So wie Julia Benz in ihrer Malerei versucht den Ruhepunkt zu finden, nur um ihm wieder zu entfliehen, so charakterisiert das Oszillieren zwischen den beiden gegensätzlichen Zuständen ihre Arbeits- und Lebensweise.
Marie Mergler, 2022
Liebe Julia Benz, sehr geehrter Dr. Wolfgang Köppe, Peter Drimal, André Lindhorst und liebe Gäst*innen,
ich begrüße Sie herzlich und freue mich zum Anlass der Ausstellungseröffnung von „Oscillation“ an diesem wundervollen Ort, der Villa Köppe, ein paar Worte über die Künstlerin des Abends mit Ihnen allen teilen zu können. Julia Benz und ich kennen uns seit rund zwei Jahrzehnten. Und so stehe ich hier nicht nur als Kuratorin, die über eine außergewöhnliche Künstlerin spricht, sondern auch als Wegbegleiterin einer Frau, die sich mit harter Arbeit und einem kreativen Geist einen Namen gemacht hat.
Julia Benz ist 1985 geboren und in der Eifel aufgewachsen, wo wir uns in unserer Jugend kennen gelernt haben. Schon bei meinem ersten Besuch bei ihr zu Hause zeigte sie mir ihre Zeichnungen und erzählte von ihrer Leidenschaft – der Malerei. Nach ihrem Studium der Kunst und Mathematik in Köln wurde sie an der Kunstakademie in Düsseldorf angenommen, wo ihre Arbeiten als zu bunt, gar zu schrill missverstanden wurden. Nach einer prägenden Zeit im Rheinland ist sie 2013 nach Berlin gezogen, um an der UDK zu studieren. Dort hat sie sich in vielen Projekten ausprobiert und hatte die Möglichkeit nicht nur Deutschland, sondern auch andere Teile der Welt mit ihrer Kunst zu bereisen.
2014 war ich als Kulturmanagerin und Kuratorin für das Goethe-Institut im Sudan tätig. In diesem Rahmen initiierte ich ein Urban Arts Projekt, indem sich deutsche und sudanesische Künstler*innen trafen, um verschiedene gesellschaftliche Themen zu bearbeiten. Bei der Konzeption des Projekts hatte ich gleich Julia im Sinn und lud sie ein nach Khartum zu kommen. Dabei zeigte sich nicht nur ihr künstlerisches Talent, sondern auch ihre Wissbegier und ihr Talent Wissen zu vermitteln. Bei Reisen durch das Land sammelte sie außerdem Farben und Eindrücke, die ich 2017 in einer Installation im Ausstellungsraum ihrer Kölner Galeristin Anne Scherer wiederentdeckt habe. Eine der Plexiglasplatten aus „Wet Dreams“, die eine der sudanesischen Pyramiden in Meroë zeigt, die wir gemeinsam besichtigt haben, hängt jetzt bei mir in der Wohnung und ist eine Erinnerung an diese intensive Zusammenarbeit. Reisen innerhalb Europas sowie in die USA, Brasilien, Thailand und Uganda prägten ihr künstlerisches Schaffen, mit dem sie ein internationales Publikum begeistert. 2018 wurde Julia nach China eingeladen, wo sie eine 1-monatige Residenz als jüngste Teilnehmerin einer Künstler*innengruppe bestritt. Dort verabschiedete sie sich temporär von ihren Farben und versuchte sich mit monochromen Experimenten und traditionellen chinesischen Zeichentechniken.
Auf all diesen Reisen spielte ein bemerkenswertes Talent von ihr eine große Rolle, auf das ich kurz eingehen möchte: ihre außergewöhnliche Fähigkeit hinzusehen und zuzuhören. Es klingt banal, doch ganz im hier und jetzt zu sein und seine Aufmerksamkeit so zu fokussieren hat mich schon vor 20 Jahren an ihr als Mensch und Gesprächspartnerin fasziniert. Ihr künstlerisches Schaffen schöpft aus dieser Fähigkeit. So wie sie jedes Wort in einem Gespräch oder einem Lied aufsaugt, so entgeht ihr auch keine Form oder Farbe, die ihr während eines Spaziergangs oder auf dem Weg ins Atelier begegnet. Eine Pflanze am Wegesrand, ein reges Schattenspiel, ein buntes Glasfenster, ein Riss in einer Wand oder ein architektonisches Detail können zur Inspiration werden. Ihre Begeisterungsfähigkeit ist ansteckend und hat mir oft die Augen für Dinge geöffnet, die mir sonst entgangen wären. Alles scheint in ihr schier endloses Gedächtnis wie in ein Archiv zu wandern um irgendwann als künstlerische Vorlage zu dienen. Als Grundlage für ihre Bilder dienen keine Skizzen, sondern nur ihr Erinnerungsvermögen für Formen und Farben, die sie kreativ interpretiert und neu anordnet. In der Ankündigung der Ausstellung heißt es deshalb: „Diese oft körperhaft ins Bild gesetzten Formen suggerieren zwar Beziehungen zu Erscheinungen, die man aus der Realität kennt, doch lassen sie sich keinem realen Gegenstand zuordnen.“ Fasziniert von der Welt, den Details und dem Ganzen um sie herum, experimentiert Julia mit diesen Eindrücken auf Papier, Leinwänden, Plexiglas, Glas und mehr als durchforste sie systematisch und dann wieder zufällig ihr gedankliches Archiv.
Auch auf ihrer letzten größeren Reise nach Barcelona, hatte ich die Möglichkeit sie zu begleiten. Einige der Arbeiten, die wir heute Abend hier sehen können, sind dort während ihrer Residenz im Atelier von B-Murals entstanden. Gerade am Anfang ihres Aufenthalts in Barcelona zeigte sich ihre impulsive Art zu produzieren. Am Anfang ihres Prozesses trifft Julia auf die Leinwand und überwindet gleich die Leere der weißen Fläche mit viel Farbe. In ihrer impulsiven prozessbasierten Technik werden Farben und Formen Schicht für Schicht aufgetragen. Dinge passieren. Wie im Leben ist nicht alles durchgeplant. Das sieht dann so aus: Ich sitze ein paar Meter entfernt von ihr vor dem Computer und sehe Farbe fliegen, der Pinsel wird in dunkles Blau getaucht und sie springt von Leinwand zu Leinwand. Einige hängen an der Wand, andere liegen noch auf dem Boden. Der Föhn geht an. Und dann sitzt sie vor den Bildern und überlegt, wie es weitergeht. Neue Ebenen verdecken was vor ihnen auf der Leinwand zu sehen war. Alles Überdeckte existiert weiterhin und ist Teil des Bildes, nur ist es nicht mehr für uns sichtbar. Julia kennt jede Ebene ihrer Bilder und entscheidet welche sie mit den Betrachter*innen teilt und welche sie für sich behält. Ihren Kampf mit der Leinwand beschreibt sie oft als Lösung eines Problems. Als würde sie sich nach dem impulsiven ersten Akt mit Hilfe einer mathematischen Formel dem Medium nähern. Doch ändert sich diese Formel scheinbar ständig, und auch das Problem ist in Bewegung und fordert sie immer wieder neu heraus sich ihm zu stellen. Die Oszillation in der sie zwischen den zwei Modi ihrer intuitiven Bewegung und dem analytischen Prozess immer wieder hin und her bewegt.
Frühlingsfarben und Stimmungen aus Barcelona wurden in Pinselstriche und Farbkleckse verwandelt. Während Betrachter*innen bestimmte Farben die sie mit Julia, bestimmten Orten oder Jahreszeiten assoziieren gleich entdecken, zeigen die verschiedenen Schichten des abstrakten Gemäldes einen tieferen Einblick in die Gedankenwelt und den Gefühlskosmos der Künstlerin. Begeistert von den Mosaiken im Park Güell, dem Aufeinandertreffen von historischen Gebäuden und moderner Architektur, sowie den Farben der katalanischen Hauptstadt entwickelte sie ein neues Thema, das Sie schnell in den Arbeiten entdecken werden. Sie überraschte die Organisator*innen und Besucher*innen des Ateliers mit der Quantität und Qualität ihrer vor Ort produzierten arbeiten. Auf Instagram teilt sie häufig ihre Eindrücke und aufmerksame Follower entdecken, wie sie diese transformiert und auf die Leinwand bringt. So teilt sie mit uns mehr als nur die fertigen Arbeiten und lässt uns hinter die Kulissen schauen. Die Titel geben immer wieder Hinweise auf Julias Einflüsse, aber auch ihre Playlists im Studio. Ich stehe hier vor „Smooth operator“.
Ihr Werk zeigt eine mögliche Beziehung zwischen traditionelleren Maltechniken und urbaner Kunst. Acrylfarben, Sprühtechniken und Tusche werden genutzt in ihren Kompositionen. Sie erschafft neue Kombinationen aus alltäglichen und transzendenten Dialogen mit ihrer Umwelt und so werden ihre persönlichen Eindrücke ihrer Umgebung durch sorgfältiges und wiederholtes Üben auf der Leinwand sichtbar. Dabei bleibt bei den Betrachter*innen ein Gefühl der Neugierde für die Welt um sie herum zurück. Julia Benz zeigt, wie alles, was wir sehen, kreativ umgewandelt werden kann und zu künstlerischem Schaffen inspiriert.
So wie Julia Benz sich selbst kontinuierlich fordert und weiterentwickelt, so zeigt sie auch den Menschen um sich herum und den Betrachter*innen ihrer Werke immer wieder neue Perspektiven und animiert sie die Welt um sich herum wahrzunehmen. In dieser Solo Ausstellung können wir Arbeiten von ihr betrachten, die zwischen 2019 und heute entstanden sind. Ich gehe kurz auf ein Medium ein, mit dem Julia neuerdings arbeitet und das hier zu sehen ist. Die Glasarbeiten in den Fenstern dieses Ausstellungsraumes. Sie sind letztes Jahr in Zusammenarbeit mit Derix Glasstudios in Frankfurt entstanden, die unter anderem dafür bekannt sind mit Gerhard Richter an seinem Fenster im Kölner Dom gearbeitet zu haben. Es lohnt sich heute etwas länger hinzusehen, um zu erkennen, wie das Licht mit der Arbeit in einen Dialog tritt und die Farben im Raum verteilt. Die Wandlungsfähigkeit dieser Arbeiten ist besonders aufregend. Nicht nur in den beiden oberen Räume werden Sie heute fündig, sondern auch im Untergeschoss finden Sie vor allem Papierarbeiten, die sie nicht verpassen sollten.
Heute Abend erweitert sich die visuelle Wahrnehmung von Julias Arbeiten um eine akustische Dimension, dank der Performance von Rüdiger Wenk aka Phonoschrank, den Julia zu diesem Anlass eingeladen hat. Mit seinen Worten zum heutigen Abend beende ich diese Einführung: „Die Oszillation des Klangs mit dem Raum und den Werken macht Sprache überflüssig. Begegnen Sie Julia Benz in einer klanglichen, räumlichen und künstlerischen Oszillation.“
Ich danke allen Anwesenden für Ihr Interesse beim Zuhören und wünsche Ihnen eine angeregte Auseinandersetzung mit den Bildern von Julia Benz und der Performance von Rüdiger Wenk.
Von Larissa-Diana Fuhrmann